Zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Autonome Schwulenreferat und die queere Community

Als Autonomes Schwulenreferat sind wir die Anlaufstelle für homo- und bisexuelle Studie-rende (egal ob trans- oder cisgender); wir sind ein politischer Raum, dessen Arbeitsstruktur auf einem basisdemokratischen Plenum basiert. Gleichzeitig erfüllen wir auch Funktionen eines Sozialraums. Zu Beginn der Pandemie konnten wir uns gar nicht mehr persönlich treffen, seit Ende Oktober ist die Situation erneut dieselbe: Plena, sowie Veranstaltungen des geselligen Beisammenseins müssen ins Internet verlegt werden. Die Sprechstunden der Referent*innen können nicht in Präsenz stattfinden, da der AStA geschlossen ist. Stattdessen sind die Referent*innen bei Bedarf zu entsprechenden Uhrzeiten online kontaktierbar; ein solches Angebot anzunehmen, ist allerdings bedeutend hochschwelliger, als eine Präsenz-Sprechstunde. Grundsätzlich können Online-Veranstaltungen den Sozialraum Schwulenreferat nicht ersetzen. Dies liegt unter anderem daran, dass Online-Veranstaltungen neue Hürden schaffen. Dabei handelt es sich zum einen um Hürden technischer Art, die es einzelnen Personen erschweren oder verunmöglichen können, an Online-Formaten teilzunehmen. Zum anderen können Veranstaltungen in Videokonferenz-Formaten für manche Personen mit sozialer Angst eine größere Herausforderung darstellen, als persönliche Treffen. Diese Faktoren führten dazu, dass es einzelnen Referatsmitgliedern gegebenenfalls nicht möglich ist, an unseren Online-Treffen teilzunehmen. Ein solcher Ausschluss von Personen ist für uns nicht hinnehmbar. Auch für Menschen, die neu in Marburg waren, stellt es eine zusätzliche Hürde da, den Raum als solchen kennenlernen zu können. Dies alles ist ein Problem, da es gerade während einer Ausnahmesituation wie einer Pandemie, von der marginalisierte Personen auf besondere Art betroffen sind und unter der sie stark zu leiden haben, besonders wichtig wäre, dass wir füreinander da sein können und dass LSBT*IQ-Personen in diesen herausfordernden Zei-ten nicht alleine sein müssen. Community-Räume sind für viele queere Personen die einzigen Orte, an denen sie sich ohne Angst vor Diskriminierung bewegen können. Ein Wegfall dieser Orte in der Pandemie ist ein großes Problem.

Selbst wenn die Fallzahlen im Landkreis wieder sinken und wir uns mit Abstand und Masken wieder treffen können, besteht das Problem, dass unser Referatsraum zu klein ist, als dass wir uns dort mit ausreichendem Abstand alle aufhalten könnten.

Das vergangene halbe Jahr hat uns die Wichtigkeit von Räumen erneut deutlich vor Augen geführt. Wir brauchen einen Raum, in dem wir uns während Corona treffen können und in dem das Einhalten von Hygiene- und Abstandsregelungen gewährleistet werden kann, damit es uns wieder möglich sein kann, füreinander, für die Community da zu sein, auch und gera-de in Zeiten von Corona. Aber auch wenn die Fallzahlen wieder sinken und wir einen Raum finden, in dem wir uns treffen können, bleibt es eine Problematik, dass es viele marginalisierte Personen in der Stadt gibt, die nie eigene Räume hatten, wie zum Beispiel einige pre-karisierte, nicht-studentische, migrantische Personen. Es muss sich dafür eingesetzt werden, entsprechende Räume in der Stadt zu schaffen.

Generell sind wir als Schwulenreferat im Vergleich zu vielen queeren Orten, Projekten, Räumen immerhin in der privilegierten Situation, dass unser Raum und unsere Existenz durch die Anbindung an den AStA trotz der Corona-Krise derzeit abgesichert ist. Die Pandemie gefährdet viele queere Vereine, Projekte und Unternehmen, somit drohen sehr wichtige Freiräume und Schutzräume, zu verschwinden. Die Krise verschärft die sozialen Ungleichheiten und Diskriminierungsverhältnisse, die ohnehin schon bestanden haben und von denen marginalisierte Personen und Angehörige der LSBT*IQ-Personen in besonderer Art betroffen sind. Auch wirtschaftliche Unsicherheiten, die aus der Corona-Krise resultieren, treffen viele LSBT*IQ-Personen härter. Daher haben verschiedene Gruppen und Einzelper-sonen eine Petition gestartet, die spezifische Maßnahmen und Hilfen fordert, die ganz konkret queere Personen und Strukturen unterstützen – einen „queeren Rettungsschirm“. Wir möchten hiermit auf diese Petition aufmerksam machen und allen empfehlen, sich mit dieser auseinanderzusetzen und sie zu unterzeichnen: https://www.change.org/p/bundesregierung-her-mit-dem-queeren-rettungsschirm-7214f842-b84b-4d5b-955a-ff4bf0d33b44?utm_content=cl_sharecopy_25818461_de-DE%3A4&recruiter=204655351&utm_source=share_petition&utm_medium=copylink&utm_campaign=share_petition.